Am sonnigen Nachmittag des 28.2.2021 haben wir uns zusammen mit ca. 20 Menschen und mit der Unterstützung der Antifaschistischen Initiative Heidelberg und der roten Hilfe, Ortsgruppe Heidelberg-Mannheim, am Heidelberger Marktplatz versammelt, um unsere Solidarität mit dem hunger- und durststreikenden Dimitris Koufontinas zu zeigen und über die Willkür, die Rachsucht und das autoritäre Verhalten der griechischen Regierung zu demonstrieren. Die deutschen Genoss*innen, die hier mit ähnlichen Problemen konfrontiert werden, waren zum Teil überascht, von dem Ausmaß an institutionellen Repressionsstrukturen und staatlichen Schikanen, die in Griechenland Normalität sind. Sie haben uns von Anfang an in der Heidelberger Bewegung miteinbezogen und uns massiv bei jedem unserer Schritte als Gruppe und bei der Organisierung dieser Kundgebung unterstützt, wofür wir hier unseren herzlichsten Dank ausdrücken wollen.
Viele Passant*innen waren auch interessiert und haben kurz ihren freien Nachmittag unterbrochen um eins oder mehrere der Redebeiträge zu hören, und über Details zu den einzelnen Themen nachzufragen, unter anderem viele Griechen. Ein paar der extrem konservativen Griechen unserer Region haben vorbeigehend auch ihre verzweifelten Kommentare hinterlassen, wie zum Beispiel „Allerheiligste Mutter Gottes! Nicht auch hier!“ , „Schämt euch“ oder ein Vater zu seiner kleinen Tochter „Guck. Die guten Polizisten werden jetzt diese bösen Leute ausräumen“. Wir wurden natürlich nicht „ausgeräumt“, wie es in Griechenland mittlerweile immer der Fall ist und durften diesen Leuten zeigen, nicht nur, dass Protest ein Recht ist, sondern viel mehr, was internationale Solidarität bedeutet.
Nachtrag: Koufontinas Situation verschlimmerte sich in den Tagen nach der Kundgebung, und er hat seine Beschlossenheit weiter zu machen mehrmals ausgedrückt. „Ich will nicht sterben, aber so wie die Situation gerade ist, lassen sie mir keine Wahl“. Seine Anwältin führte ihren eigenen Kampf für ihren Mandanten auf judikativer Ebene, trotz der fehlenden Dokumente. Das Ergebnis? Alle Gerichte des Landes haben sich ungeeignet zum Urteil erklärt, was bewiesen hat, dass die Regierung jenseits der gerichtlichen Kontrolle agieren darf. Währenddessen liefen die Solidaritätsproteste weiter, wurden noch intensiver und haben sich schließlich mit den Protesten gegen das neue Bildungsgesetz und die Universitätspolizei verschmolzen. Es gab täglich noch größere Demonstrationen im ganzen Land. Nachdem am 7. März ein Junge grundlos und unprovoziert von einer Bullenschar verprügelt wurde, kam es erneut zu massiven Protesten gegen Polizeigewalt. Deshalb hat sich Koufontinas am 14. März entschieden, seinen Streik nach 65 Tagen zu beenden. Wie er selber sagte, sah er den Zweck seines Streiks, die Willkür des Staates hervorzuheben und zu Widerstand aufzurufen, als erfüllt, da der Widerstand gegen den Polizeistaat Griechenland viel größer als sein persönliches Anliegen wurde. Seitdem hat sich seine Gesundheit etwass stabilisiert und er ist jetzt auf dem langen schwierigen Weg der Erholung. Es ist schwer dieses Ergebnis zu beurteilen. Er hat zwar verloren, da die Regierung keinen Schritt zurük machte, und nicht nur ihre Rache gegen seine Person weiter ausüben kann, sondern könnte sogar die Lage von anderen Gefangenen verschärft werden, die den Hungerstreik als letztes Mittel benutzen wollen würden. Er hat aber auch gewonnen, nicht nur weil er lebt, sondern auch weil er dadurch allen gezeigt hat, was für ein Staat Griechenland ist, und was die Zukunft noch bringen könnte. Wir als Fytili wünschen ihm auf jeden Fall eine gute Besserung und unterstützen sienen kommenden Kampf zur Freilassung.
Programm:
Eröffnungsrede von Fytili zur allgemeinen Situation in Griechenland
Redebeitrag einer Genossin aus Alexandroupoli zur allgemeinen Situation in Griechenland
Redebeitrag von Fytili zur Situation von Dimitris Koufontinas und kurze Analyse
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Kurze Pause
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Redebeitrag der roten Hilfe, Ortsgruppe Heidelberg-Mannheim, in Solidarität mit Dimitris Koufontinas und anderen politischen Gefangenen.
Redebeitrag der Antifaschistischen Initiative Heidelberg in Solidarität mit Dimitris Koufontinas und zu den Repressionsbedingungen in Griechenland.
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Kurze Pause
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Redebeitrag von Fytili zu den mit Dimitris Koufontinas solidarisierten Verhafteten
Abschlussrede: Die Abschiedsnachricht von Dimitris Koufontinas
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Eröffnungsrede von Fytili zur allgemeinen Situation in Griechenland
Seit im Juli 2019 die rechtskonservative Partei “Nea Dimokratia” mit absoluter Mehrheit ins griechische Parlament gewählt wurde, ist die Regierung von Premier Kyriakos Mitsotakis mit extremer Repression und Gewalt gegen die Bewegung vorgegangen. Die COVID-19-Pandemie setzte einen drauf und gab der Regierung den perfekten Vorwand. Ausschlaggebend ist, dass die erste Amtshandlung zur “Bekämpfung der Pandemie” die Einstellung von Tausenden Polizist*innen war, die im Eilverfahren ausgebildet werden. Die sowieso fragwürdige “Professionalität” griechischer Repressionskräfte wird mit der Verabschiedung von immer mehr autokratischen Gesetzen unterstützt, die in fast jeder Facette des öffentlichen Lebens die Demokratie erwürgen. So ermächtigt ein neues Hochschulgesetz die Polizei dazu, mit einer speziell dafür geschaffenene Einheit in Universitäten für Ruhe und Ordnung zu sorgen, ohne dass Rektorat und Dozenten miteinbezogen werden.
Wie ihr versteht, sind gerade die Anlässe für uns, sogar hier gegen die Politik der griechischen Regierung zu mobilisieren mehr als genug. Jedoch hat uns die Wahrheit übertrumpft. Dimitris Koufontinas, verurteilt für seine Aktionen mit der Revolutionären Organisation 17. November, wird ohne jegliche Vorab-Information seitens des Staats von der landwirtschaftlicher Haftanstalt Kassaveteia zur Haftanstalt Domokos gebracht. Erst wenn er wieder mit seiner Rechtsanwältin kommunizieren kann, wird klar, dass die Rechtsgrundlage dafür fragwürdig ist. Nach mehreren gescheiterten Versuchen für eine gerechte Behandlung geht er am 08.01.21 in den Hungerstreik.
Redebeitrag einer Genossin aus Alexandroupoli zur allgemeinen Situation in Griechenland
(ursprünglich in Form einer Englischen Sprachnachricht)
In Griechenland, während die Pandemie jeden Tag im Aufschwung ist und das Volk mit einer Gesundheitskrise konfrontiert wird, trifft der Staat zahlreiche Entscheidungen, die eindeutig der Bougeoisie zugute kommen und unsere Freiheit in Frage stellen. Anstatt das zertrümmerte öffentliche Gesundheitssystem zu stärken und mehr Intensivstationen zu schaffen, haben sich der Staat und die Regierung der „Nea Demokratia“ dafür entschieden, eine Reihe von Lockdowns aufrechtzuerhalten, die jede soziale Aktivität verbieten und uns nur erlauben zu arbeiten. Anstatt Ärzte und Pflegepersonal einzustellen, um die unterbesetzten Krankenhäuser zu besetzen, entschieden sie sich, Polizisten einzustellen und die griechische Armee finanziell zu stärken. Einerseits sind die Arbeitsplätze und die öffentlichen Verkehrsmittel extrem überfüllt, was die Ansteckung beschleunigt. Andererseits wird jede Demonstration oder Sozialisierung, auch wenn alle Schutzmaßnahmen getroffen werden, als Gefahr für die öffentliche Gesundheit bezeichnet und mit äußerster Gewalt unterdrückt. Hinzu kommt, dass die Arbeitslosigkeit steigt und Armut und Elend unser Leben ausfüllen. Diese Krise kommt als eine Fortsetzung der Wirtschaftskrise von 2008, sie spitzt die bereits bestehende wirtschaftliche Verarmung der sozialen Basis zu und verschärft die sozialen Ungleichheiten, während Staat und Kapital reicher werden und ihre Position auf dem geopolitischen Schachbrett stärken.
Die Gesundheitskrise hat die Regierung der “Nea Demokratia” als derzeitige Staatsführung nicht daran gehindert, ihr Zweifronten-Wahlprogramm durchzusetzen: Eine Hinwendung zum Neoliberalismus und zu transnationalen Rivalitäten. Mitten in der Pandemie fand der Staat eine goldene Gelegenheit, eine Vielzahl von unmenschlichen Gesetzen zu erlassen. Einige davon sind die Legalisierung des 10-Stunden-Arbeitstages und der unbezahlten Überstunden und die Einrichtung von Polizeikräften in Universitäten. Und während die Regierung ständig stolz auf erfolgreiche und glaubwürdige Maßnahmen zum Schutz vor der Pandemie ist und behauptet, dass Entscheidungen auf der Grundlage des Gemeinwohls getroffen werden, scheint sie nicht die entsprechende Sensibilität für den Schutz gefährdeter sozialer Gruppen gezeigt zu haben. Übereinander gestapelt werden Gefangene und Inhaftierte in Gesundheitsbombengefängnissen festgehalten, ohne Tests, ohne Schutzmaßnahmen, ohne medizinische Versorgung und ohne Entlastung der Justizvollzugsanstalten. Migranten werden in den Lagern unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht, ohne Zugang zu medizinischer Versorgung oder sauberem Wasser, dem Wetter ausgeliefert. Die Abwertung des menschlichen Lebens, das für das kapitalistische System nicht nützlich oder produktiv ist, war offensichtlich, da der Staat methodisch und taktisch die Morde an diesen Menschen unterzeichnete.
Zu der endlosen Liste der staatlichen Morde, von den Grenzen des Evros und der Ägäis bis zu den Gefängnissen und Konzentrationslagern, kommt der bevorstehende Mord an dem Hunger- und Durststreikenden Dimitris Koufontinas hinzu. Dimitris Koufontinas fordert die tatsächliche Anwendung eines von der “Nea Demokratia” erlassenen „photographischen“ ad hominem Gesetzes. Nach diesem Gesetz müsste er in seine bisherige Sonderzelle im Korydallos-Gefängnis verlegt werden. Stattdessen wurde er aufgrund eines gefälschten Dokuments in das Domokos-Gefängnis verlegt. Er befindet sich seit dem 8. Januar im Hungerstreik und seit fünf Tagen im Durststreik. “Nea Demokratia”, Premierminister Konstantinos Mitsotakis, die Generalsekretärin für Antikriminalpolitik Sophia Nikolaou, der Minister für Zivilschutz Michalis Chrysochoidis und die griechische Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou sind willentlich blind und taub und haften für seine derzeitige Folter und baldige Ermordung. Sie haben aus Rache versucht, ihn erneut vor Gericht zu stellen und zum Tode zu verurteilen, obwohl er seine Strafe bereits ableistet und die Todesstrafe 1993 abgeschafft wurde.
Der Kampf gegen den inneren Feind ist das Hauptanliegen des Staates im Rahmen einer umfassenderen Wehrhaftigkeit. Indem er durch wirtschaftliche und psychologische Vernichtung, extreme Gewalt und Repression ein Klima des Terrors und der Angst schafft, versucht er, die Abwehrkräfte derjenigen zu schwächen, die kämpfen, die ihre Stimme erheben und gegen alle Formen der Unterdrückung kämpfen, gegen das Patriarchat, gegen die weitere Ausbeutung der Natur, die die bestehenden Verhältnisse in Frage stellen und für eine Gesellschaft der Gleichheit, Freiheit und Solidarität kämpfen. Egal, wie sehr sie versuchen, uns zum Schweigen zu bringen, egal, wie sehr sie eine beispiellose Zensur unserer Medien und unserer Sprache betreiben, egal, wie sehr sie versuchen, unsere Kämpfe zu verleumden und zu beleidigen, wir werden immer Auswege durch die Macht des Kollektivs finden, wir werden immer Antworten durch unsere Organisation finden, wir werden immer stärker durch unsere Leidenschaft für unsere Überzeugungen werden.
Genoss*innen aus Griechenland.
Redebeitrag von Fytili zur Situation von Dimitris Koufontinas und kurze Analyse
Nachträgliche Bemerkung: Während unserer Recherche zu dem Fall von Koufontinas kamen wir extrem vielen inkonsequenten und konfliktierenden Informationsquellen entgegen, und zwar sowohl teilweise von der Seite der Solidarisierten, alsauch viel mehr von der Seite der Regierung und der systemischen Medien. Wir entschuldigen uns für Fehler bei den Erreignissen, die hier beschrieben werden. Trotzdem lassen wir sie unkorrigiert, als Testament für die Schwierigkeit heutzutage an klare objektive Wahrheiten und Fakten zu kommen. Für die Griechischsprachigen gibt es eine Sendung https://www.youtube.com/watch?v=0YnqvG2-KPo der Zeitung Press Project, die genau dieses Thema zum Vorschein bringt und mit den direkt Beteiligten die Fakten klar stellt. Die nicht Griechischsprachigen können uns gerne für mehr/akkurate Information kontaktieren.
Dimitris Koufontinas ist ein Mitglied der revolutionären Organisation „17. November“. Diese „terroristische“ Organisation war von 1975 bis 2002 tätig und ist verantwortlich für viele Morde, Bombenangriffe und Raubüberfälle, die eine politische Motivation hatten. Die Organisation wurde 2002 vollständig aufgelöst, und zwar unter der Führung des Ministers für Zivile Ordnung Michalis Chrysochoidis, der heute das gleiche Amt inne hat. Dimitris Koufontinas, war der zuletzt verhaftete, der sich sogar freiwillig der Polizei am 5.9.2002 ergeben hat. Er übernahm die politische Verantwortung für die gesamte Aktion der 17N, unter anderem für den Mord am Schwager des heutigen Premierministers [Mitsotakis (Pavlos Mpakogiannis] und wurde mit der vollen Härte des Gesetzes zu mehrfacher lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde zunächst mit anderen Mitgliedern in einem speziellen unterirdischen Hochsicherheitsflügel des Gefängnisses in Korydallos bei Athen festgehalten, bis er 2018 ordnungsgemäß zu einem weniger rigiden landwirtschaftlichen Gefängnis in Kasaveteia bei Volos verlegt wurde, da er die gesetzlich erforderlichen Bedingungen dafür erfüllt hatte. Nach einer Strafrechtsreform der vorherigen Regierung, würde Koufontinas im Sommer 2021 sogar die Bedingungen erfüllen, um seine endgültige Entlassung zu beantragen. Doch an diesem Punkt hat sich die griechische Regierung unter der eisernen Faust des Premierministers Kyriakos Mitsotakis entschieden, die Situation für Koufontinas zu erschweren um persönliche Rache für die Regierungsfamilie und gleichzeitig politische Rache an ihren ideologischen Feinden zu üben. Es hat am 20.12.2020 angefangen, als ein auf ihn persönlich zugeschnittenes und somit die Gleichbehandlung verletzendes und verfassungswidriges Gesetz von der Regierungsmehrheit im Parlament verabschiedet wurde. Es besagt, dass wegen Terrorismus verurteilte Gefangene nicht mehr in landwirtschaftlichen Gefängnissen festgehalten werden können und zu ihrer vorherigen Haftanstalt zurückkehren müssen. In der selben Nacht um 3 Uhr wurde Koufontinas von Kassaveteia nicht einfach wegtransportiert, sondern entführt, da seine Angehörigen und seine Rechtsanwältin darüber nicht informiert wurden, während er selber nicht mal Zeit hatte zu packen. Er wurde aber nicht zurück nach Korydallos gebracht sondern zu einem dritten Gefängnis in Domokos bei Lamia, wo er um 5 Uhr ankam. Sobald das bekannt wurde gab es einen Aufruhr, weil die Regierung offenbar ihr eigenes Gesetz nicht eingehalten hatte. Die Generalsekräterin für antikriminelle Politik des Justizministeriums Sofia Nikolaou hat sich dann dazu geäußert und sagte, dass sein Transport nach Korydallos aus zwei Gründen unmöglich war. Erstens wurde schon von der vorherigen Regierung gesetzlich bestimmt, dass Korydallos zu einem Typ A Gefängnis umgestaltet werden sollte, nämlich nur für Gefangene in Untersuchungshaft oder mit minderschweren Urteilen. Dieses Gesetz ist allerdings nie in Kraft getreten und alle anderen Mitglieder der 17N und viele Gefangene mit hohen Strafen sind immer noch da, in dem selben Flügel, wo Koufontinas auch früher festgehalten wurde. Zweitens, natürlich der Lieblingsvorwand der jetzigen Regierung. Corona. Es wurde von Frau Nikolau behauptet, dass Koufontinas zuerst doch nach Korydallos gebracht wurde, wo er wegen der schweren Infektionslage abgelehnt wurde. Wie sich später herausstellte, wurde diese Ablehnung erst lange nach seinem Transport verfasst. Außerdem ist es unmöglich eine Strecke von ca. 550km von Volos, nach Athen und zurück nach Domokos innerhalb von 2 Stunden zurückzulegen und die Infektionslage ist in allen Gefängnissen des Landes wegen der maßnahmenlosen und abscheulichen Haftbedingungen genauso prekär. Nicht nur hat die Regierung hinsichtlich des Transportes gelogen, nicht nur hat sie dabei ihr eigenes Gesetz verletzt, sondern sie hat auch verweigert, und weigert sich immer noch, diese Entscheidungen dem Gefangenen vorzulegen, damit er dagegen Einspruch einlegen kann. Diese Situation hat Koufontinas, dem keine anderen rechtlichen Mittel übrig blieben, dazu gebracht am 8.1.2021 einen Hungerstreik anzufangen und zwar mit einer einzigen Forderung. Dass dieses Gesetz, auch wenn es eigentlich verfassungswidrig ist, eingehalten wird und er nach Korydallos transportiert wird. Seine Gesundheit verschlimmerte sich rasch, da er sich nach zwei vorherigen Hungerstreiken innerhalb der letzten vier Jahre nicht erholt hatte, und er wurde in eine Intensivstation des Krankenhauses von Lamia eingeliefert, wo er sich immer noch befindet. Je länger der Streik ging, desto unnachgiebiger wurde die Regierung trotz der Bitten vieler aus dem ganzen politischen Spektrum die gesetzmäßige Forderung von Koufontinas zu erfüllen. Das führte ihn nach 45 Tagen striktem Hungerstreik dazu die Flüssigkeitszufuhr zu verweigern und er befindet sich seit Montagabend auch in einem Durststreik. Die Tatsache, dass er noch durchhält ist ein Wunder. Die Staatsanwaltschaft hat deswegen mehrmals gefordert „die notwendigen ärztlichen Maßnahmen zu seiner Rettung durchzuführen“ ohne Zwangsernährung explizit zu nennen, aber so dass jeder genau das verstanden hat. Die Ärzte in der Klinik haben sich aber zum Glück nicht zu dieser Qual herabgelassen. Am Freitagabend noch hat er die Antibiotika und die Möglichkeit zur Reanimation verweigert und seit gestern Abend hat sich seine Situation erneut verschärft. Er wird nicht überleben. Die Regierung hat dies schon entschieden. Die Argumente aller angehörigen der Regierungspartei dazu sind sehr gefährlich für jede Form von Demokratie. Koufontinas wird so geschildert: Ein gemeiner reuloser Mörder und Terrorist, der selber die Gesetzmäßigkeit und den Rechtsstaat nie respektiert hat, der gerade versucht den Staat zu erpressen um eine privilegierte Behandlung zu bekommen. Die Demokratie wird ja nicht erpresst und verhandelt nicht mit Terroristen.
Lasst uns mal kurz darüber nachdenken. Woran erinnert uns das? Vielleicht an die Argumentation von Thatchers Regierung 1981 gegenüber Bobby Sands und den Hungerstreikenden der IRA? Oder sogar an die Argumentation von Helmut Schmidt über die Behandlung der RAF-Gefangenen? Alles dunkle Seiten in der Geschichte des Rechtsstaats in Europa und alles eine Argumentation, die selbst die bürgerliche Demokratie widerlegt hat. Aber lasst uns das auch Schritt für Schritt durchgehen. Erstens, ja, er hat das Gesetz respektlos verletzt und er hat dafür keine Reue gezeigt, aber er wurde vom Gericht dafür verurteilt und hat die für seine Situation angemessene Strafe bekommen, die er seit fast 19 Jahren exemplarisch ableistet. Seit er die Türe des Gefängnisses durchschritt, ist er ein Gefangener, kein gemeiner Mörder und Terrorist. Und ein fehlender Ausdruck der Reue ändert daran gar nichts. Außerdem ein speziell zugeschnittenes Gesetz wurde für keinen anderen gemeinen strafrechtlichen Verbrecher entworfen. Und klar, den Gefangenen wird das fundamentale Recht der Freiheit weggenommen, aber sie haben immer noch Rechte. Und es ist die Pflicht eines Rechtsstaates ethisch über einem Verbrecher zu stehen und sich selber an die Gesetze zu halten und die Rechte der Gefangenen zu respektieren, selbst wenn der/die Verbrecher*in den Rechtsstaat nicht respektiert, selbst wenn er/sie nichts bereut hat. Das bedeutet Gerechtigkeit. Das ist die Kultur der Rechtsstaatlichkeit. Der Premierminister mag von rächerischer Manie geblendet sein, weil seine Familie zum Opfer der 17N geworden ist, aber er steht nicht über dem Gesetz. Wenn er das glaubt, ist er in allem außer im Namen ein Diktator. Das ist uns allerdings schon durch die tollwutige Repression jeder Opposition klar. Der Fall Koufontinas ist aber die letzte Instanz, die das auch in seinem Teil des politischen Spektrums klar machen wird. Deshalb versucht er seine absurden Argumente hinter einem kleinparteilichen Streit mit der größten Oppositionspartei zu verstecken um von dem grauenvollen Inhalt der Diskussion abzulenken. Zur Gesetzmäßigkeit der Forderung von Koufontinas und inwiefern diese den Staat erpresst muss man allerdings nicht viel sagen. Der Staat wurde ständig und dringend gebeten die Forderung von Koufontinas zu erfüllen und zwar von mehr als 1000 Anwält*innen und akademischen Jurist*innen, die gestern sogar dafür in Athen demonstrierten, von Amnesty International, von der Bürgeranwaltschaft, nämlich dem zentralen Ombudsrat, der für Menschenrechte und Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger*innen vermittelt und vor allem vom gesamten Bund der Richter*innen und Staatsanwält*innen, der nicht mal die Diktatur kritisiert hatte. Es ist also zumindest der herrschenden Meinung nach nicht Koufontinas, der erpresst. Es ist der Staat der erpresst, indem er Einzelfallentscheidungen in Form eines Gesetzes trifft. Es ist der Staat der erpresst, indem er Koufontinas alle legalen Mittel genommen hat. Es ist der Staat, der erpresst, weil er die Rechte der Gefangenen nicht respektiert und absolute Souveränität und Entscheidungmacht zu ihrer Behandlung beansprucht. Und letzten Endes, ist es der Staat, der Koufontinas ermordet, indem er ihn zum Hungerstreik gezwungen hat und seitdem stur rächerisch und unnachgiebig auf eine gesetzmäßige Forderung reagiert. Und das schlimmste von allem kommt noch. Schon jetzt wurde jede Solidarisierung mit Koufontinas dem „Terroristen“ kriminalisiert. Wenn er stirbt, und es ist mittlerweile wirklich eine Frage von Stunden, wird es einen Aufstand geben. Und unter dem Mantel des Kriegs gegen den Terror wird Griechenland zu einem diktatorischen Polizeistaat. So stirbt also die Demokratie an ihrem Geburtsort. Mit dem Tod eines Hungerstreikers.
ΝΑ ΖΗΣΕΙ Ο ΔΗΜΗΤΡΗΣ ΚΟΥΦΟΝΤΙΝΑΣ, ΝΙΚΗ ΤΩΡΑ ΣΤΗΝ ΑΠΕΡΓΙΑ ΠΕΙΝΑΣ
Redebeitrag der roten Hilfe, Ortsgruppe Heidelberg-Mannheim, in Solidarität mit Dimitris Koufontinas und anderen politischen Gefangenen.
Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen,
wir als Rote Hilfe Heidelberg/Mannheim freuen uns, dass wir bei der heutigen Kundgebung in Solidarität mit Dimítris Koufontínas mitwirken dürfen – an dieser Stelle möchten wir uns bei der Soligruppe fytili bedanken, die das initiiert hat.
Wir haben es schon in den vorangehenden Reden gehört:
Der politische Gefangene Dimítris Koufontínas ist seit dem 8. Januar im Hungerstreik, um gegen die schikanösen staatlichen Angriffe zu kämpfen, denen er ausgesetzt ist. Schon seit er sich 2002 freiwillig gestellt hat und für seine Mitgliedschaft in der Stadtguerilla-Organisation „17. November” zu mehrfach lebenslänglich verurteilt wurde, sieht er sich Benachteiligungen und Willkürmaßnahmen ausgesetzt. Hafterleichterungen wurden gestrichen, und Ende 2020 hatte die Regierung ein sichtlich auf Dimítris Koufontínas zugeschnittenes Gesetz erlassen. Seither dürfen Gefangene, die wegen so genannter Terrorvorwürfe in Haft sind, nicht mehr in den Landwirtschaftsgefängnissen mit lockereren Bedingungen inhaftiert werden. Auf dieser Grundlage wurde Dimítris Koufontínas nachts aus dem Schlaf gerissen und in das Hochsicherheitsgefängnis Domokós hunderte Kilometer von Athen entfernt verschleppt. Diese gewalttätige Überstellung war offen rechtswidrig, denn er hätte laut Gesetz in sein früheres Gefängnis in Athen zurückverlegt werden müssen.
Aus diesem Grund begann Dimítris Koufontínas am 8. Januar seinen Hungerstreik und verschärfte ihn am 22. Februar zu einem Durststreik. Doch die griechische Regierung lehnt jegliche Gespräche ab, denn sie führt einen offenen Rachefeldzug gegen den politischen Gefangenen, den sie mehrfach in ihrem Wahlkampf thematisierte und mit künftigen Schikanen bedrohte. Zugleich geht sie brutal gegen die Proteste und Solidaritätsdemonstrationen vor, die in griechischen Städten stattfinden. Auch die internationalen Proteste lassen die regierende Néa Dimokrátia kalt, doch wir hören nicht auf!
Wir fordern die sofortige Verlegung von Dimítris Koufontínas in das Athener Gefängnis, das Ende der Schikanen gegen ihn und letztlich seine Freilassung!
Wir als Rote Hilfe e. V. stehen solidarisch an der Seite der politischen Gefangenen in der BRD, aber auch weltweit. Die meisten kennen uns als solidarische Unterstützer*innen bei kurzzeitigen Festnahmen, Geldstrafen und Gerichtsprozessen, indem wir mit unseren Ortsgruppen bundesweit den Betroffenen juristisch, politisch und finanziell zur Seite stehen. Doch wir als Rote Hilfe e.V. setzen uns durch materielle Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit auch für die Genoss*innen ein, die wegen ihrer politischen Aktivität in Untersuchungshaft sitzen oder zu Haftstrafen verurteilt wurden.
Unsere solidarischen Grüße gehen an dieser Stelle an die in verschiedenen Gefängnissen der BRD inhaftierten Politiker der kurdischen PKK, an die gefangenen Antifaschist*innen Lina und Dy, an Nicole und Martin, die im Rahmen des MIEZE-Verfahrens in Haft sind, und an alle weiteren politischen und kämpfenden Gefangenen!
Und wir solidarisieren uns mit den politischen Gefangenen weltweit, die wir regelmäßig durch Pressearbeit unterstützen, beispielsweise die Zehntausenden oppositionellen und kurdischen Gefangenen in der Türkei. Besonders hervorheben möchten wir heute noch den afroamerikanischen Journalisten und Ex-Black-Panther-Aktivisten Mumia Abu-Jamal, der seit fast 40 Jahren in den USA in Haft ist. Seit zwei Tagen verspürt er starke COVID-19-Symptome, doch die Gefängnisleitung verweigert einen Test oder ärztliche Behandlung. Wir unterstützen die weltweite Protestaktion und fordern:
Freiheit für alle politischen Gefangenen – hier und überall!
Solidarität ist unsere Waffe!
Redebeitrag der Antifaschistischen Initiative Heidelberg in Solidarität mit Dimitris Koufontinas und zu den Repressionsbedingungen in Griechenland.
Mit Griechenland haben wir es mittlerweile mit einem Staat der Europäischen Union zu tun, in dem die Orbanisierung voranschreitet. Seit die neoliberal-reaktionäre Partei Néa Dimokratía (ND) im Juli 2019 die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, betreibt sie mit Vehemenz die autoritäre Umgestaltung des griechischen Staates. Allen voran ihr so genannter Bürgerschutzminister, der eine neue Verwaltungsvorschrift für die Polizei durchgepeitscht hat. Dagegen sind die hiesigen, in bodenlose Willkürmaßnahmen frisierten Landespolizeiaufgabengesetze die Sicherstellung von allgemeinen Grund- und Freiheitsrechten. Wir können uns hier nur auf die absurdesten Vorschriftselemente einschießen: Von nun an ist es in Griechenland möglich, dass jede Person, die einer polizeilichen Anordnung keine Folge leisten will, bis zu sechs Monate in den Knast kommen kann; dass Demonstrant*innen, die Beamt*innen „beschimpfen“, bis zu drei Jahre weggesperrt werden können; dass diese drakonische Strafe kollektiv alle bei einem Aufzug versammelten Demonstrant*innen treffen kann, eben auch die, die gar nicht „beleidigt“ haben; dass Demo-Anmelder*innen über die Finanzämter haftbar gemacht werden können für alles, was während „ihrer“ Demonstrationen strafrechtlich relevant wurde und damit bußgeldbewehrt ist; dass im Vorfeld von Versammlungen Aktivist*innen präventiv festgenommen werden können, ohne dass ihnen irgendeine Straftat zur Last gelegt wird; dass Journalist*innen in so genannte Schutzzonen weit weg vom eigentlichen Demo-Geschehen verwiesen werden, um Augenzeug*innenreportagen und vor allem das „unautorisierte“ Filmen und Fotografieren brutaler Polizeigewalt zu verhindern. Und so weiter.
Was in den letzten Jahrzehnten nach der Militärjunta in Griechenland auch eher selten war, aber jetzt durchaus zu einem Modus Operandi der unkontrollierbaren Exekutivorgane werden könnte, ist die Umgehung des Parlaments bei versammlungsrechtlichen Entscheidungen im Hinblick auf das prinzipielle Gewährenlassen vormals geschützter Grundrechte – die beiden wichtigsten, stets von massenbewegten Kundgebungen, Aktionen und Demonstrationen begleiteten Gedenktage der radikalen Linken Griechenlands wurden im letzten Jahr einfach komplett verboten: Der 17. November, also der Jahrestag der blutigen Niederschlagung des Polytechnikum-Aufstands gegen die Militärdiktatur 1973, und der 6. Dezember, also der Jahrestag der Ermordung von Aléxandros Grigorópoulos durch Polizeibeamte 2008.
Das hat selbstverständlich weit reichende Auswirkungen auf die Ausdrucks- und Aktionsformen radikal linker Organisationen und Bewegungen in Griechenland, auf emanzipatorische Kämpfe im Allgemeinen. Und führt – unter der staatlichen Maxime, dass alles, was dem herrschenden System in grundlegend kritischem Sinne zuwiderläuft, eine „nationale politische Gefahr“ darstelle -, zu vielen Festnahmen von Aktivist*innen, die beispielsweise gegen den Goldabbau in Chalkidikí aktiv sind. Einer von ihnen ist Errol, ein seit acht Jahren in Griechenland lebender Franzose: Er wollte mit vielen anderen Menschen zusammen am 6. Dezember 2020 im Athener Stadtteil Exárchia Blumen am Tatort der Ermordung von Aléxandros niederlegen; dieses Gedenken wurde von einem martialischen Aufgebot diverser Spezialkommandos brutalst zerschlagen; dabei wurde neben fast 400 weiteren Personen auch Errol festgenommen. Ihn hat schließlich am 19. Dezember eine außerhalb jeder Kontrolle operierende „Anti-Terror-Einheit“ ins Flugzeug nach Frankreich verschleppt; auf dem Flughafen in Paris ist er dann sofort freigelassen worden.
Es hat aber auch weit reichende Auswirkungen auf die Bedingungen in den griechischen Knästen und die Haftsituationen politischer Gefangener. Und hier im Besonderen auf den bekanntesten politischen Gefangenen, Dimítris Koufontínas. Er ist von der „Revolutionären Organisation 17. November“, die von 1975 bis zu ihrer Zerschlagung 2002 mehr als 100 Anschläge verübte. Koufontínas verbüßt eine Haftstrafe von elfmal lebenslänglich zuzüglich 25 Jahren. 2018 wurde er ins Agrargefängnis von Vólos verlegt; dort konnte er seine Haftzeit durch Arbeit verkürzen. Seit 2010 hatte er Anspruch auf Hafturlaub, was ihm ab 2017 insgesamt sechsmal gewährt wurde. Nun hat ihn aber der neue autoritäre Obrigkeitsstaat per Dekret, das inoffiziell seinen Namen trägt, von allen Hafterleichterungen ausgeschlossen und eine Verlegung aus dem Agrargefängnis durchgesetzt. Nun sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis von Domokós mehrere Hundert Kilometer von Athen entfernt, wo er zumindest in der Nähe seiner Angehörigen wäre. Um gegen diesen beispiellosen Fall willkürlichen Eingriffs in das offensichtlich ausgehebelte Justizsystem zu protestieren, ist Koufontínas am 8. Januar 2021 in einen Hungerstreik getreten, den er am 22. Februar zu einem Durststreik ausgeweitet hat. Mittlerweile schwebt er in akuter Lebensgefahr.
Wir fordern die umgehende, laut geltendem griechischem Gesetz garantierte Verlegung Koufontínas‘ in ein Gefängnis in Athen, das Ende der Schikanen, die Gewährung von Hafturlaubsansprüchen und letztlich seine Freilassung
Für die Auflösung des „Bürgerschutzministeriums“
Freiheit für alle politischen Gefangenen
Redebeitrag von Fytili zu den mit Dimitris Koufontinas solidarisierten Verhafteten
Liebe Genoss*innen,
Die Bekanntmachung, dass sich Dimitris Koufontinas in Hungerstreik befindet, wurde von der griechischen Gesellschaft nicht ignoriert. Die „Generalversammlung für den hungerstreikenden D. Koufontinas“ ist sofort zustandegekommen und hat, in Zusammenarbeit mit seiner Rechtsanwältin und seiner Familie bisher 7 Griechenland-weite Tage für Solidarität mit dem Gefangenen organisiert. Seit dem 08.01. gibt es fast jeden Tag solidarische Aktionen, Demos, Kundgebungen und Besetzungen, die von der griechischen Regierung fordern, den Gefangenen sofort zurück zum Korydallos-Gefängnis zu transportieren, gemäß § 4760/2020 Abs. 3. Die Soli-aktionen werden immer größer und häufiger. Tausende demonstrieren täglich für Rechtsstaatlichkeit, für die Menschenrechte und gegen eine Regierung, die diese zwei Begriffe zwar oft benutzt, aber anscheinend anders definiert. Athen, Thessaloniki, Patras, Volos, Komotini, Lamia, Levadia, Alexandroupoli und Chania stehen im Vordergrund der Aktionen, die auch in vielen anderen Städten stattfinden.
Die Reaktion des Staates auf diese Aktionen ist echt bemerkenswert. Solidaritätsaktionen werden nämlich immer grundlos und mit brutaler Gewalt aufgelöst und Teilnehmer*innen werden festgenommen. Am 18. Februar hat eine Intervention im Gesundheitsministerium stattgefunden, um das Bewusstsein diesen Themas zu schärfen (vertiegen?) und seine Bedeutung hervorzuheben. Etwa 70 Solidaritätsaktivist*innen nahmen daran teil, sangen Sprechchöre, hielten Transparente und verteilten Flugblätter, die die Erfüllung der Ziele des Gefangenen forderten. Es wurde kein Schaden angerichtet, noch hinderten sie die Angestellten dort daran, ihrem Arbeitsplan zu folgen, was bewiesen wurde, da die ganze Aktion auf Twitch gestreamt wurde. Alle wurden verhaftet und sehen sich mit drei geringfügigen Anklagen konfrontiert, wobei die schlimmste die Nichtbeachtung der Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus ist. Die Symbolik dieser Aktion war tief; der Staat ermordet nicht nur aus Rache, wie beim Fall Koufontinas, sondern auch durch die ungeeignete Gesundheitspolitik.
Am 20. Februar und nach einer Intervention bei den Büros der „Nea Dimokratia“ Partei in der Region von Moschato in Süd-Attika wurden viele Aktivist*innen im Bahnhof und einige sogar im Zug von übermäßigen Polizeikräften eingeschlossen, die den Bahnhof stundenlang isolierten, ohne den Zugang zu Essen und Wasser zu gewähren. Während dieser Zeit sollen Polizeibeamte den Demonstranten Folgendes zugerufen haben:
“Habt ihr Hunger? wir werden euch mit der Leiche von Koufontinas füttern”.
Die Zahl der Verhaftungen, die folgten, stellte einen neuen Rekord auf, selbst für ein Land mit so hohen Repressionsstandards wie Griechenland, mehr als 110. Das Oxymoron ist, dass die Verhafteten, denen wiederum hauptsächlich vorgeworfen wird, sich nicht an die Covid-19-Maßnahmen gehalten zu haben, in eine Polizeidirektion gebracht und dort festgehalten wurden, ohne dass die Korona-Maßnahmen auch nur im Geringsten eingehalten wurden.
Dies sind nur zwei von unzähligen Beispielen dafür, was passiert, wenn Menschen es wagen, von der Regierung zu verlangen, das Gesetz zu befolgen, oder allgemein ihre Stimme in Opposition zur Regierungspolitik zu erheben. In den letzten zwei Monaten gab es mehr als 250 Verhaftungen allein aufgrund von Solidaritätsaktionen für Koufontinas. Wenn wir auch die Verhafteten von anderen Demonstrationen und Aktionen zählen, wie z.B. die, die sich auf das Hochschuls-Polizeigesetz und die “me_too”-Bewegung beziehen, die derzeit heiße Themen in Griechenland sind, sehen die Zahlen nicht realistisch aus. Wahrscheinlich würden sie einem wie ein Polizeibericht aus den berühmten dystopischen Romanen Orwells vorkommen.
Darüber hinaus wurde und wird auf verschiedenen Social-Media-Plattformen massiv Solidarität mit dem Kampf von Koufontinas bekundet. Letzte Woche wurde das Profil der griechischen Republikspräsidentin überflutet mit Tausenden von Kommentaren von Menschen mit verschiedenen Ideologien und aus verschiedenen Teilen des politischen Spektrums, die von ihr, der Verwahrerin des Rechtsstaates und der demokratischen Staatsform, verlangten, dass sie eingreift und Stellung zum Thema nimmt. Die Reaktion der Admins? Sie löschten so viele Beiträge und Kommentare, wie sie konnten, allerdings ohne Erfolg, denn das Einzige, was dies bewirkte, war eine noch größere Menge an Kommentaren. Gleichzeitig verbreiten die Massenmedien, nachdem sie in den letzten Monaten 120.000.000 Euro von der Regierung erhalten haben, weiterhin die Agenda ihres Arbeitsgebers und loben sie, während sie alles verschweigen, was die Neue Demokratie(ich meine Demokratie) gefährden könnte. Selbst Regenbogenpresse-Journalisten würden sich schämen, solche Fake-News zu veröffentlichen und fast jeden Artikel des Journalisten-Pflichtkodexes völlig zu demütigen.
In den letzten Wochen verbreitete sich eine große Welle von Solidarität mit dem politischen Gefangenen und seinen Forderungen nach Gerechtigkeit nach griechischem Recht in ganz Europa, wenn nicht sogar in der ganzen Welt. In der Türkei, in Spanien, in Italien, in Frankreich, in Deutschland und in vielen anderen Ländern bringen Menschen in verschiedenen Städten ihren Wut über das Thema zum Ausdruck und fordern das einzig Logische: dass die griechische Regierung ein Gesetz einhält, das sie selbst verabschiedet hat, da die langsame Ermordung eines Gefangenen nicht gerade zu den Rechten oder Kompetenzen der Regierung gehört. In Berlin wurde sogar das griechische Konsulat besetzt. Erwähnenswert ist das letzte Mal, dass genau das in Berlin passierte, war 2008, nachdem der Polizist Korkoneas einen fünfzehnjährigen Jungen, Alexandros Grigoropoulos, ermordet hatte. Auch die Organisation „Amnesty International“ hat einen Artikel zu diesem Thema veröffentlicht, den dritten seit der Wahl der derzeitigen Regierung, der deren gewaltsame und repressive Taktik sowie die Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Leben in Frage stellt.
Die erste logische Frage, die sich daraus ergibt, ist: Warum? Warum sollte die Partei, die das Wort Demokratie in Griechenland zum Markenzeichen gemacht hat, sich nicht an die von ihr verabschiedeten Gesetze einhalten, so viel Gewalt anwenden und so viel Geld für ein Thema ausgeben, das die Ursache für ihren Untergang sein könnte?
Persönliche Rache wurde zuvor als ein Grund präsentiert. Aber würde der Premierminister ein so hohes Risiko nur für persönliche Rache eingehen? Wir glauben das nicht.Denn persönliche Rache als Motiv erklärt nur das Vorgehen der Regierung gegen D. Koufontinas. Offensichtlich reicht es dem griechischen Staat nicht aus, eine Person zu töten, die für die Mehrheit des Volkes bereits als ein Mörder gekennzeichnet ist. Es muss einen anderen, tieferen Grund für sein Handeln geben.Einen politischen Grund.Kein Staat würde jeden Menschen, der für Gerechtigkeit und Menschenrechte eintrat, wie die Tausende von Anwälten, Richtern und Staatsanwälten, Universitätsprofessoren, Studenten, Journalisten und sogar einige der eigenen Parteimitglieder als „fanatische Terroristen kennzeichnen, die Koufontinas’ Arbeit fortsetzen wollen“, so eine Presseerklarung der regienrenden Partei. Was sie beschreiben, ist entweder ein Bürgerkrieg oder eine Revolution,und wir wissen nicht, ob Herr Mitsotakis, seine Partei und seine Diener wirklich wollen, dass eins dieser Dinge geschieht.
Zum Schluss:
– Es wird eine Spendenaktion für die Verhafteten Genoss*innen organisiert. Wenn ihr Interesse habt, könnt ihr demnächst auf unserer Website mehr Infos finden.
SOLIDARITÄT MIT
D.KOUFONTINAS, VERHAFTETEN GENOSS*INNEN, GRUP YORUM UND PABLO HASEL
Abschlussrede: Die Abschiedsnachricht von Dimitris Koufontinas
Als Koufontinas die Flüssigkeitszufuhr verweigerte, woraufhin sein Tod viel mehr als eine Sicherheit angesehen wurde, hinterließ er folgende Abschiedsnachricht mit dem Gedicht „Epilog“ des berühmten Dichters Giannis Ritsos (hier auf Deutsch aus der Übersetzung von Klaus-Peter-Wedekind).
„Im Hungerstreik seit dem 08. Januar
Da sie auf das Gesetz bestehen, das sie sich so provokativ ausgedacht haben, tragen sie die Schuld, wenigstens dieses Gesetz auszuüben, und mich in den Keller von Korydallos zurückzubringen, in den Spezialtrakt, den der Minister der Repression selbst, Michalis Chrysochoidis, hat erbauen lassen, um den 17. N zu vergaben, und wo ich 16 von 18 Jahren meiner Haft verbracht habe.
Denkt an mich zurück, sagte er. Tausende Kilometer ging ich
ohne Brot, ohne Wasser, über Steine und Dornen,
um euch Brot und Wasser und Rosen zu bringen. Die Schönheit
– niemals verriet ich sie. Alles, was ich besaß, verteilte ich gerecht.
Für mich selber behielt ich nichts. Bettelarm. Mit einer Lilie vom Feld
erhellte ich unsere schlimmsten Nächte. Denkt an mich zurück.
Und seht mir diese letzte Traurigkeit nach.
Ich würde gern
noch einmal mit dem dünnen Mondsichelchen
eine reife Ähre schneiden. Auf der Türschwelle stehen, schauen
und ein Getreidekorn ums andere mit den vorderen Zähnen zerkauen
in Bewunderung und Lobpreis für diese Welt, die ich verlasse,
in Bewunderung auch für Ihn, der den Hügel hinaufsteigt im
Sonnenuntergang ganz von Gold. Seht:
Am linken Ärmel hat er einen tiefroten viereckigen Flicken. Der
ist nicht sehr deutlich zu erkennen. Und das vor allem wollte ich
euch zeigen.
Vielleicht deshalb vor allem lohnte es sich, dass ihr an mich
zurückdenkt.”