Spendenaufruf für die Gerichtskosten der 70 im Gesundheitsministerium verhafteten Genoss*innen

In Solidarität mit dem politischen Gefangenen Dimítris Koufontínas, der sich vom 8. Januar bis zum 14. März 2021 (65 Tage) in Hungerstreik aus Protest gegen seine schikanöse Behandlung, die an Rache angrenzt, seitens der griechischen Regierung befand, gingen in den vergangenen Wochen Tausende Unterstützer*innen auf die Straße. Der Staat reagierte mit brutaler Härte und verhaftete hunderte Demonstrant*innen, die sich nun mit unterschiedlichsten Vorwürfen konfrontiert sind. Dazu zählen Behinderung von Behörden- und Amtshandlungen, Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen, vor allem aber Verstoß gegen die rigiden Corona-Maßnahmen, die auch das Grundrecht auf Versammlungesfreiheit beschneiden und nun von den Behörden gezielt benutzt werden, um missliebige Meinungen und linke und anarchistische Bewegungen zu unterdrücken. Allein bei zwei Protestzügen wurden alle Teilnehmer, nahezu 190 Menschen, verhaftet, und auch bei größeren Demonstrationen in Athen und in anderen Großstädten wie Thessaloníki werden Dutzende bis Hunderte festgenommen. Noch im Frühjahr werden die Gerichtsverhandlungen gegen mindestens 70 Solidaritätsaktivist*innen beginnen, die in vier Großprozessen angeklagt werden. Sie haben am 18.2. eine friedliche Intervention im Gesundheitsministerium veranstaltetet. Im Vergleich zu anderen Interventionen die nur fünf bis zehn Minuten dafür brauchen Flugblätter zu verbreiten und kurz Sprüche zu rufen, haben sich die Genossen für eine Stunde im Gebäude verteilt und aufgehalten, wo sie gegen die Behandlung von Dimitris Koufontinas und gleichzeitig gegen die katastrophale Pandemieverwaltung protestierten, bevor sie dann von einer großen Anzahl an Polizisten aufgesammelt und zur zentralen Polizeidirektion Athens transportiert wurden wo sie ohne der geringsten Einhaltung der Hygienevorschriften aufeinander gestappelt wurden. Um die Betroffenen mit den Repressionsfolgen nicht alleinzulassen, rufen wir in Kooperation mit der Roten Hilfe e.V. zu Spenden auf, um die Angeklagten kollektiv bei den enormen Summen an Anwält*innen- und Gerichtskosten für die bevorstehenden Prozesse zu unterstützen. Sie können dafür folgendes Konto benutzen:

Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Heidelberg
IBAN: DE32 4306 0967 6003 2928 00
Kreditinstitut: GLS-Bank
Stichwort (bitte immer dazuschreiben!): Griechenland

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Erklärung der 70 Solidaritätsaktivist*innen zur Intervention im Gesundheitsministerium

„ Die Neue Demokratie (B.d.Ü.: ND, die Regierungspartei) ermordet den Hungerstreiker Dimitris Koufontinas.
Die Verwaltung der Pandemie ist ein staatliches Verbrechen.

LASST UNS NICHT AN DEN TOD GEWÖHNEN

Seit einem Jahr geht es bei der Pandemieverwaltung darum, die Armen, die Machtlosen, die Unterdrückten zu unterwerfen. Die Verweigerung der Regierung das nationale Gesundheitssystem wie nötig zu stärken und ihre Entscheidung eine ganze Gesellschaft zu terrorisieren, diese mit erniedrigenden Kontrollen und Einschränkungen voller Junta-Inspiration zu beugen, Geldstrafen, die die Armen vernichten, zu verteilen, ist ein staatliches Verbrechen. Es betrifft offenbar nur diejenigen, die nicht bezahlen können. Die soziale Quarantäne kam, um zu bleiben und wird schon durchgesetzt; mit der panoptischen Beherschung der Städte, der Integration staatlicher Befehle durch dystopische Methoden zur Überwachung und Inaktivierung der Gesellschaft, indem sie in den Häusern verschlossen wird, kulminierend mit dem Militäreinsatz zur Kontrolle der Arbeiterstädte West Attikas. Alle, die keine private Versicherung haben und natürilich nicht mal ihre Grundausgaben decken können, überleben, falls sie überhaupt versichert sind, mit den kleingeschnittenen Subventionen der Regierung. Die tausenden Pandemietoten sind Opfer der Klassenpolitik des Todes, die alle sich in Busen und Metro, in Fabriken, in dicht bewohnten Nachbarschaften, in Gefängnissen, in Konzentrationslagern für Flüchtlinge, in Altenheimen, in Psychiatrien zusammendrängenden Menschen ihrem Schicksal überlässt.
Die repressive Verwaltung einer Gesundheitskrise zielt zur Stummschaltung aller Stimmen des Widerstands, so dass wir die neuen Regeln der Sklaverei akzeptieren können. In einer Raserei von Allwetter-Bullen-Rekrutierung – Bullen für die Bildung, statt Professoren und Bullen für die Gesundheit, statt Pflege- und ärztliches Personal – hat der Staat den fruchtbarsten Boden für die Ausübung einer noch extremeren Politik der neoliberalen Maßnahmen in allen sozialen Fronten, indem er das eine Gesetz nach dem anderen im Parlament verabschiedet und gleichzeitig jede Form von Protest unerbittlich schlägt. Die Militarisierung des sozialen Lebens wird hinter der Vorwand der Pandemie aufgezwungen; durch präventive Methoden der Aufstandsbekämpfung und durch die Fortifikation des Staates gegen eine eventuele sozialle Explosion, die die kommende Pleite verursachen wird.

42 TAGE HUNGERSTREIK UND EINLIEFERUNG IN DIE INTENSIVSTATION

Der offenbare Mord an Dimitris Koufontinas stellt keine Ausnahme oder spezielle Behandlung der bürgerlichen Macht gegen jemanden dar, der den staatlichen Gewaltsmonopol aktiv angefochten hat. Die Politik, die heute Koufontinas in einer Krankenhauszelle vernichtet ist in Wahrheit die selbe Politik, die durch Intensivpflegemangel Menschen unserer Klasse ermordet. Die selbe Politik, die Arbeiter in den Arbeitsplätzen ermordet und verkrüppelt, die selbe Politik, die Demonstrationen blutig repressiert, die selbe Politik, die morgen nicht zögern wird, sogar in einen Krieg zur Verteidigung kapitalistischer Interessen zu führen. Es ist die Politik der Unmenschlichkeit, des Sadismus, der Klassengewalt und der Ausbeutung des Menschen vom Menschen und deshalb kann der Widerstand gegen ihrer Todespolitik nichts anderes sein, als Sache der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten.
Ein Charakteristisches Beispiel dieser Behandlung ist die obsessive Rache, die sich um die Person des politischen Gefangenen D. Koufontinas. Am 8.1. startete der kommunistische Revolutionäre D. Koufontinas einen Hungerstreik mit der Forderung seiner direkten Verlegung aus dem Gefängnis in Domokos zu den Gefängnissen in Korydallos. In dem ungerechten Gesetz, das sie verabschiedeten, steht ein „photographischer Paragraph“ (B.d.Ü.: Ein Paragraph, der eine Person photographiert, in dem Sinne, dass das Gesetz für diese Person zugeschnitten wurde.), der regelt, dass die für Terror verurteilten Gefangenen nicht in Agrargefängnissen festgehalten werden dürfen und der Genosse wurde aus dem Gefängnis bei Volos entführt. Aber, anstatt ihn nach Korydallos, dem ursprünglichen Gefängnis, wo er seine Strafe ableistete, wie ihr Gesetz festsetzt, zu bringen, wird er unstatthaft, plötzlich und durch Dokumentenfälschung nach Domokos verlegt, das als Hochsicherheitsgefängnis beabsichtigt wird. Zuständig für die Dokumentenfälschung ist die Generalsekretärin für antikriminelle Politik Sofia Nikolaou, die sich sogar weigert, selbst der Bürgeranwaltschaft! (B.d.Ü.: Ein zentraler Ombudsrat, der als unabhängiges Organ bei Streitigkeiten zwischen dem Staat und den Bürger*innen mediiert.) Kopien der Verlegungsdokumente abzugeben.
Das Regime hat eine Mauer des Schweigens gebaut, hinter der die überwiegende Mehrheit des politischen Personals des Landes eingezogen wurde, zusammen mit der Schar der wirtschaftlich Mächtigen, der Senderchefs, der großen Journalisten, der Industrialisten, der Reeder. Eine Mauer des Schweigens, die die Information vollständig kontrolliert und gezielt ablenkt, die die Solidaritätsaktionen und den Kampf des Hungerstreikers vernebelt und verleumdet.
Die politische Vernichtung des Kämpfers D. Koufontinas, betrifft nicht nur einen politischen Revanchismus, obwohl sie auch solche Merkmale zeigt. Sie kondensiert die Kulmination eines ideologischen Konfliktes, den die heutige Avantgarde des Konservatismus glaubt gewinnen zu können. Mit seiner seit Jahren methodisch vollziehenden Vernichtung, streben sie danach, den Geist des Widerstandes vollkommen zu schlagen und herunterzufahren. Ein Geist, der sich in den Jahrzehnten der politischen Wende (B.d.Ü. Nach dem Absturz der Diktatur, 1974) verkörperte, durch dutzende militante Streiks, konfrontative Demonstrationen, Massenproteste, Aufstände und Guerilla Aktionen zur Bezweiflung des Regimes. Deshalb ist es ihnen so wichtig, eine Erklärung der politischen Reue von D.Koufontinas herauszufoltern, um ihren eigenen Sieg gegen eine ganze Ära des Widerstands und des Kampfes zu ratifizieren. Deren gesamte Argumentation über die Verteidigung der Werte und der „Demokratie“ gegen ihren erklärten Feind ist heuchlerisch, da das selbe System der Familienherrschaft in den 90gern dafür gesorgt hatte, bedeutende Führungskräfte der Militärdiktatur freizulassen. Die gleichen Personen, die in der Tat dieselbe Demokratie, die sie jetzt beschwören, auflösten und ein Terrorregime aufzwingten; mit tausenden Verfolgungen, Inhaftierungen, Folter, Morde und die blutige Repression 1973 gegen den Polytechnikumsaufstand (B.d.Ü.: als die studentische Besetzung der technischen Hoschschule in Athen mit Panzern aufgelöst wurde).
Abgesehen davon, dass der Körper des Hungerstreikers ein „Vorbild“ für die Zukunft des Klassenwiderstands darstellt, hat die Staatsanwältin des Domokos-Gefängnisses eine Verordnung veröffentlicht, mit der sie dem ärztlichen Personal befiehlt einzugreifen, sollte er seine Sinne verlieren. Wir müssen klar machen, dass jeder nicht vom Hungerstreiker bewilligte Eingriff ist Folter und wurde als solche in der internationalen Erklärung von Malta 1991 und nochmal 2017 deklariert.
Mit der heutigen Intervetion in diesem speziellen Gebäude versuchen wir einerseits die mörderische Stille über den Fall des Hungerstreiks des politischen Gefangenen D. Koufontinas zu brechen und andererseits über die Willkür der ND-Regierung zu klagen und fordern folgendes:

Die Abgabe des gefälschten Dokumentes der Generalsekretärin Nikolaou zur rechtswidrigen Verlegung von D. Koufontinas an die Bürgeranwaltschaft.
DIE SOFORTIGE VERLEGUNG DES REVOLUTIONÄREN DIMITRIS KOUFONTINAS ZU DEN GEFÄNGNISSEN VON KORYDALOS
KEIN AUSNAHMEZUSTAND FÜR POLITISCHE GEFANGENE
Dieser Hungerstreik ist ein Leuchtturm für den andauernden Widerstands gegen den staatlichen Absolutismus. Es ist der Faden der Kämpfe, den wir folgen um für sein Leben und seine gerechte Forderungen zu kämpfen, er ist ein Teil des sozialen Kampfes gegen den modernen Totalitarismus.
Das autoritäre Regime hinter der Pandemievorwand soll aufhören.
Die gesamte öffentliche Gesundheitsinfrasktuktur soll in vollen Zügen verstärkt werden.
Sieg für die gerechte Forderungen des Pflegepersonals

Lasst uns direkt in unseren Nachbarschaften, in den Orten der Bildung und der Arbeit, mit politischen Kollektiven und Organisationen mobilisieren um die Politik des Staates und des Kapitals umzukippen. Die Welt ändert sich, die Revolutionen sind machbar und alles ist in unseren Händen. “

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