Awareness Konzept für die Kundgebung: „Zukunft barrierefrei gestalten!“

1. Was ist Awareness?
2. Wie arbeitet das Awareness-Team?
3. Ablauf
3.1 Vor der Schicht im Awareness-Zelt (15 Minuten vorher da sein)
3.2 Während der Schicht
3.3 Nach der Schicht
4. Was ist uns wichtig?
5. Barrierefreiheit
6. Was tun im Ernstfall?
6.1 Stell dich vor:
6.2 Betroffene Personen
6.3 Gewaltausübende Personen
6.4 Konsequenzen
7. Anhang (optional): Tipps von Psychologists for Future
7.1 Gesprächstipps
7.2 Aktives Zuhören:
7.3 Hinweise, was du nicht tun solltest:
7.4 Tipps zur Ressourcenaktivierung (Wenn sich die Person bereits etwas entlastet fühlt)
7.5 Schwierige Situationen und “Risiken” (die vermutlich nicht oft vorkommen werden)

 

1. Was ist Awareness?

Awareness sehen wir als Angebot, um das Wohlbefinden aller beteiligten Menschen zu gewährleisten. Unser Awarenessteam setzt sich dafür ein, dass Grenzüberschreitungen und Diskriminierungen jeder Art auf der Kundgebung keinen Platz finden. Trotzdem sind wir kein Ersatz für selbstverantwortliches, reflektiertes Handeln aller Beteiligten.

Unser Awarenessteam steht außerdem als Ansprechpersonen zur Verfügung in Bezug auf Barrierefreiheit. Wir wollen, dass so viele Menschen wie möglich teilhaben können und sich sicher fühlen können.

2. Wie arbeitet das Awareness-Team?

Wenn uns problematische Situationen auffallen, sprechen wir die beteiligten Menschen an, damit es möglichst nicht zu Grenzüberschreitungen kommt.

– Das Awareness-Team ist nüchtern.

– Information über Awareness-Struktur ist auf Aushängen erklärt

– Struktur: Mobiles Awareness-Team, gut sichtbar mit lila Warnwesten, Awareness-Zelt

(Tee, Wasser, Snacks, Ohropax, Decke, Tampons, Stimming Toys)

– Das Awareness-Zelt ist ein Ort, der jederzeit für persönliche Gespräche bereit steht.

– Lasst euch nicht stressen! Nach der Trennung von Betroffenen und Ausübenden/Konfliktparteien nehmt euch die Zeit weiteres Vorgehen im Team (Awareness + Ordner: innen) zu besprechen

– Das Awareness-Team übt keine Gewalt aus. Solltet ihr jedoch in Situationen kommen, in denen ihr euch oder andere verteidigen müsst, ist Gewalt die letzte Option und nur wenn ihr euch damit selbst nicht in Gefahr bringt und euch das zutraut.

– Ein schöner Umgang miteinander schafft eine respektvolle Atmosphäre.

– Achtet bitte auf euch und euer Team. Kommuniziert schwierige Situationen im Team, es gibt immer die Möglichkeit eure Schicht abzubrechen/abzugeben!

– Ihr könnt jederzeit auf andere Menschen aus der Awareness zugehen und um Unterstützung bitten!

3. Ablauf

3.1 Vor der Schicht im Awareness-Zelt (15 Minuten vorher da sein)

– Das Team bespricht das vorliegende Konzept. (Gibt es Unklarheiten? Können alle das Konzept vertreten? usw.)

– Das Team bespricht wichtige Orte und Informationen zu Barrierefreiheit ys

– Das Team bespricht die eigenen Bedürfnisse. (Gibt es Ängste? Gibt es Bedenken im Umgang mit bestimmten Personen? Gibt es Wünsche bei Verantwortlichkeiten und Orten? Usw.)

– Austeilen der Notfallnummern-Zettel und Warnwesten.

3.2 Während der Schicht

– Eine Person sollte immer am Awarenesszelt sein, die Anderen können sich frei bewegen

– Checkt immer mal wieder die barrierefreien Toiletten.

– Schaut regelmäßig in die Signal-Gruppe des Awareness-Teams, um den Überblick zu behalten

3.3 Nach der Schicht

– Kurze Besprechung im Awarenesszelt

– Bedürfnisabhängiger Austausch über die eigene Schicht (Was ist passiert? Was hat funktioniert, was nicht? usw.)

4. Was ist uns wichtig?

Damit sich jede*r wohlfühlen kann, haben wir uns auf folgende Dinge geeinigt:

– Grenzüberschreitende oder auffällig rechtsextremistische oder nationalistische Symbole/ Utensilien wollen wir auf unserer Veranstaltung nicht.

– Auf unserer Kundgebung geht es um Gleichwertigkeit und Vielfalt. Es werden Menschen mit unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen dabei sein. Um diesen einen sicheren Rahmen zu ermöglichen, positionieren wir uns insbesondere gegen Ableismus, Queer-Feindlichkeit, Sexismus, Klassismus und Rassismus, sowie jegliche Diskriminierungsformen.

5. Barrierefreiheit

Welche Informationen zu Barrierefreiheit sollte das Awarenessteam kennen?

– Wo sind die rollstuhlgerechten Toiletten?

– Wo ist die Taxi-Haltestelle und der Behinderten-Parkplatz?

– Was gibt es im Awareness-Zelt?

– Was wird auf der Kundgebung in Leichte Sprache übersetzt?

– Was wird auf der Kundgebung in Gebärdensprache übersetzt?

– Was wird auf der Kundgebung auf Englisch übersetzt?

– Wo sind Informationen zur Kundgebung und die Redebeiträge schriftlich zu finden? (QR-Code und Website)

– Das Awarenessteam kann Bildbeschreibungen geben und/ oder  verbalisieren, was auf der Kundgebung passiert

– Das Awarenessteam kann Menschen den Weg zur Toilette, dem Parkplatz, der Haltestelle oder anderen Orten zeigen.

6. Was tun im Ernstfall?

– Ruhe bewahren! Die Beteiligten nicht durch eigene Emotionen noch mehr aufregen.

– Auch von uns aus Leute ansprechen, wenn wir Grenzsituationen beobachten (vorher die betroffene Person fragen, ob Hilfe gewünscht)

6.1 Stell dich vor:

– Namen, Pronomen, Rolle/Funktion klar zu erkennen geben

– Nach Bedürfnis fragen, Ggf. den Ort zu verändern (ruhigerer, dunklerer Ort, weniger Menschen)

– Fragen, ob die andere Person grad sprechen möchte – manche Menschen möchten auch allein gelassen werden

– Betroffene und ausübende Person/Konfliktparteien trennen; Je eine Person aus dem Awarenessteam begleitet die Beteiligten

– Ggf. zur Unterstützung weitere Personen aus dem Team hinzuziehen.

– Oft sind offene Fragen hilfreich. Wenn Menschen in der Reizüberflutung sind, erstmal nur mit geschlossenen ja-nein-Fragen arbeiten – offene Fragen können die Überforderung verstärken

6.2 Betroffene Personen

– Betroffene*n ruhigeren Ort anbieten; fragen, ob Freund*in (nicht) mitkommen soll.

– Im Gespräch: Haltet euch und eure Emotionen zurück. Lasst die betroffene Person sprechen ohne zu drängen (ihr habt alle Zeit). Zeigt eure Unterstützung und Solidarität, bezweifelt nichts, was die Person sagt und diskutiert nicht über ihre Erfahrungen (auch wenn die ausübende Person anderes behauptet). Betroffenenschutz steht an erster Stelle.

– Ggf. weiteren Kontakt anbieten, z. B. zu Beratungsstellen (s. Notfallnummern-Zettel).

6.3 Gewaltausübende Personen

– Person an anderen Ort bringen, wo über weiteres Vorgehen entschieden wird.

– Schafft einen Raum, an dem ihr zielführend reden könnt.

– Klare Erklärung, was für Verhalten problematisch ist

– Wir wollen vor Ort keine Diskussionen, da wir da erfahrungsgemäß eher Kraft verschwenden. Erklärungen sind vollkommen wichtig, Diskussionen bitte einfach abbrechen

6.4 Konsequenzen

Falls ausübende Person die Geschehnisse abstreitet:

– sachlich bleiben und klarmachen, dass wir den Betroffenen Glauben schenken; durch bloßes Abstreiten wird es nicht besser! -> Betroffenenschutz

– Durch deeskalatives Verhalten versuchen die Situation zu beruhigen.

– Awareness-Team spricht mit Ordner: innen und Orga-Team über Umgang/Konsequenzen mit den Konfliktparteien. Im Fall eines Ausschlusses ist zu beachten, dass die Person fern bleibt.

Denkt daran, dass wir Awareness-Leute nicht ausgebildet sind und dafür da sind, dass sich alle wohl fühlen und ein gutes Klima herrscht. Wir sind nicht dafür verantwortlich, was hier passiert, aber versuchen alle Betroffenen und Beteiligten zu unterstützen.

Bitte seid alle wachsam und habt Spaß!

 

7. Anhang (optional): Tipps von Psychologists for Future

7.1 Gesprächstipps

Stelle dich am Anfang mit Deinem Namen und Deiner Funktion vor. Beim Erstkontakt geht es darum, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln: „Hallo ich bin … Ich gehöre zum Awareness-Team und ich habe jetzt für dich Zeit.“

Sei da und höre zunächst zu (das ist das Wichtigste!).

Eröffne, wenn nötig, das Gespräch mit der Frage: Was brauchst du jetzt? Was ist passiert? Magst du darüber sprechen?

Falls ja, kommen hier ein paar mögliche Hinweise, wie du das Gespräch begleiten könntest:

7.2 Aktives Zuhören:

– Zustimmen „Mhm“, „Verstehe“, „Aha“

– Mit eigenen Worten das Gesagte wiederholen/zusammenfassen. „Für dich ist es also so….“, „Hab ich das richtig verstanden, dass….“

– Nachfragen: „Was meinst du damit genau?“ „Wie geht es dir jetzt?“

– Gefühle verbalisieren „Das hört sich so an, als ob du dich jetzt … fühlst“ -„Ich habe das Gefühl, dass du jetzt ganz schön … bist“

– Weniger ist mehr. „Zwei Ohren, zwei Augen, ein Mund“-Prinzip: Mehr zuhören als selber reden.

– Nonverbale Gesprächsmittel

– Offene, zugewandte Körperhaltung

– Ausreichend Blickkontakt

– Nicken

7.3 Hinweise, was du nicht tun solltest:

– Ausfragen

– Gefühlsausbrüche persönlich nehmen

– Bagatellisieren (“Das ist doch nicht so schlimm”)

– Über den Kopf der betroffenen Personen hinweg aktiv werden

– (Zu viel) von dir erzählen

– (Schnelle) Ratschläge geben

7.4 Tipps zur Ressourcenaktivierung (Wenn sich die Person bereits etwas entlastet fühlt)

– Was tust du normalerweise, wenn es dir nicht gut geht?

– Wie beruhigst du dich sonst in schwierigen Situationen?

– Was hat dir schon geholfen, damit es dir besser geht?

– Was und wer könnte dir jetzt wie helfen?

– Wen möchtest du in solchen Situationen am liebsten in deiner Nähe haben?

– Was bräuchtest du noch?

– Wie geht es weiter: fokussieren auf die Zukunft

– Was mache ich als nächstes?

– Ausreichend essen und trinken, schlafen

– Dinge tun, die einem gut tun

– Bei Bedarf auch mit anderen drüber sprechen

– Gewohnheiten beibehalten

– Sport und Bewegung

Das alles versetzt die Person wieder in einen Zustand der Selbstwirksamkeit und das tut gut!

7.5 Schwierige Situationen und “Risiken” (die vermutlich nicht oft vorkommen werden)

Hier ein paar Hinweise im Umgang mit Personen, die mit einer akuten Belastungsreaktion zu dir kommen, sehr starker emotionaler Betroffenheit, wenig bis gar keine Distanz zum Erlebten, körperliche Reaktionen wie Zittern usw.

– Hol erstmal selbst tief Luft

– Vermittle der Person mit behutsamer Stimme, dass sie jetzt in Sicherheit ist

– Essen und Trinken anbieten, signalisiert ebenfalls Sicherheit, evtl. auch wärmende Decken anbieten

– Dann kannst du vorsichtigen Körperkontakt anbieten, z.B. indem du fragst, ob du deine Hand auf den Unterarm oder ein Schulterblatt legen darfst. Das hilft, sich verbunden zu fühlen, den eigenen Körper wieder wahrzunehmen und sich in der realen Situation zu orientieren. Zurückweisungen sollten nicht persönlich genommen, sondern wertschätzend respektiert werden.

– An dieser Stelle nicht die Gefühle der Person vertiefen, eher versuchen eine Distanz zum Erlebten und den Gefühlen aufzubauen und die Person zu beruhigen. Hintergrund: Wenn zu früh über das Belastende gesprochen wird, bevor etwas Distanz und Beruhigung dazwischen gekommen ist, ist das Gespräch keine emotionale Verarbeitung sondern wie ein weiteres „Warmhalten“ des Erlebten & Vertiefen der Wunde.

Falls sich die Person trotz aller Bemühungen nicht oder fast gar nicht beruhigt, ist es wichtig, die Person im Hier und Jetzt zu reorientieren und gezielt von dem in der Vergangenheit Erlebten abzulenken.

Diese beiden Übungen können dabei helfen:

– Atemübung: (10 x 4 Sekunden ein- und ausatmen, dabei am besten laut vorzählen, wichtig ist keine Pressatmung, kurze Zeit normal atmen und dann wiederbeginnen, bis sich die Person beruhigt hat).

– 5 Dinge-Übung: „Kannst du mir 5 Dinge nennen, die du hier siehst, 5 Dinge, die du hörst und 5 Dinge, die du spürst“

– Zusätzlich ggfs: Durch die Lippen schnauben, wie ein Pferd – klingt seltsam, reorientiert aber sehr gut

– Arme und Beine ausschütteln, gähnen wenn möglich, sich strecken, rumzappeln …

– wenn sich die Person jetzt beruhigt hat, kannst du dir selbst gratulieren 😉     – dann kannst du mit den Ressourcenfragen von oben weitermachen.

– An dieser Stelle nicht mehr mit weiteren, vertiefenden Fragen einsteigen, sondern sie bestenfalls Kontakt zu ihren Freund: innen/ Personen, die sie kennt, herstellen lassen.

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